Arbeitskreis

Sybilla Joseph

(1883-1940)

Ein ungeklärtes Schicksal – Sybilla Joseph

Opfer oder kein Opfer. Ihr Schicksal gibt viele Rätsel auf. Als Sybilla Joseph am 23. Januar 1940 unter letztlich ungeklärten Umständen in der Heil- und Pflegeanstalt Andernach verstarb, wurde als Todesursache Lungenentzündung angegeben. Doch es bleiben Zweifel.

Sybilla Joseph war als Tochter des jüdischen Mitbürgers Joseph am 19.10.1883 in Bitburg geboren. Da, wo sich heute der Parkplatz der Fa. Messerich befindet, stand ihr Elternhaus. Nach dem Tod der Eltern war das Haus in ihren Besitz übergegangen.

Billa, wie sie von den Nachbarskindern genannt wurde, war wohl sehr kinderlieb. Selber unverheiratet und kinderlos, zeigte sie allerdings schon als junge Frau häufig psychische Auffälligkeiten. So ist ein zweimaliger Aufenthalt in den Jahren 1904/5 und 1911 in der Heil- und Pflegeanstalt Merzig dokumentiert. Lange gab es dann keine Auffälligkeiten. Mitte 1938 soll sie dann mal den Hauptwachtmeister Schneider bedroht haben.

Ein merkwürdiger Zufall ist aber ein Ereignis, das sich ausgerechnet am 9.11.1938 zugetragen haben soll. An dem Tag, an dem in ganz Deutschland die Synagogen brannten und jüdische Geschäfte zerstört und geplündert wurden, wurden auch in Bitburg elf jüdische Mitbürger festgenommen, unter anderem Sybilla Joseph. Noch am Abend wurden die meisten wieder freigelassen. Nicht so Sybilla Joseph. Sie wurde beschuldigt, ihre Mitbewohnerin, eine Frau Thommes, bedroht und beschimpft zu haben. Diese sei mit ihren Kindern in eine Herberge geflüchtet. Obendrein habe die Joseph noch die Zeitschriften ihres Mannes, des Herrn Thommes, den „Grundstein“ und „Soldatenbund“ mit Blut besudelt. Außerdem habe sie die Regierung als Lumpenpack bezeichnet. Nachdem Frau Joseph doch noch aus der sogenannten Schutzhaft entlassen wurde, wurde sie nur eine gute Stunde später wieder festgenommen. In der Haft soll sie getobt haben. Ein Arzt untersuchte sie und empfahl die Unterbringung in einer geschlossenen Abteilung. Am nächsten Morgen, dem 12.11.38 wurde sie in Andernach eingeliefert. Dort habe sie bei der Aufnahme jede Auskunft verweigert.

Der Arzt bescheinigte Sybilla Joseph Schizophrenie. Es wurden Erregungszustände, Tobsuchtsanfälle, Aggressivität, Stimmenhören und anderes diagnostiziert. Sie verweigerte angeblich die Nahrungsaufnahme und auch weitere Gespräche mit den Ärzten.

Interessant ist das Krankenblatt der Frau Joseph. Bei der Aufnahme am 12.11.1938 wog sie bei einer Größe von 1,52 m 54 kg. Ein gutes Jahr später, kurz vor ihrem Tod, am 12.1.40, wog sie noch 45 kg. Bei der Einlieferung hatte sie kein Fieber. In den letzten Wochen ihres Lebens schwankte ihre Körpertemperatur zwischen 37 und 38,5° C. In den letzten Tagen wurde noch eine Grippe festgestellt. Am 23.1.1940 starb sie. Als Todesursache wurde Lungenentzündung angegeben. Ein Schicksal, das manche Fragen offen lässt. Hatte man sie verhungern lassen oder wollte sie nicht essen? War das gemessene und dokumentierte Fieber hoch genug, um zum Tod zu führen? Und wieso wurde sie in der sogenannten Reichspogromnacht angezeigt und festgenommen?

Ihr Neffe, Arnold Joseph, hatte nach dem Krieg eine Untersuchung angestrebt. Doch auch diese brachte keine endgültige Klarheit.

(Text: Thomas Barkhausen, 2014)