Familie Silver Kallmann - Die letzte jüdische Familie Bitburgs
„Ich war im Weltkrieg Soldat, mir passiert nichts.“ Ein tödlicher Irrtum. Die meisten jüdischen Mitbürger hatten bis 1938 mit ihren Familien Bitburg verlassen. Nicht so Silver Kallmann. Der jüdische Viehhändlern war sich sicher, dass die Nazis ihm und seiner Familie nichts anhaben konnten.
Kallmann wurde am 1.5.1888 in Irrel geboren. Nach dem 1. Weltkrieg heiratete er Sophie Jakob aus dem Saarland und zog nach Bitburg. 1921 wurde die Tochter Else, 1923 der Sohn Kurt geboren. Die Familie bewohnte ein Haus in der Kölner Straße. Kallmann schien zu einigem Wohlstand gekommen zu sein. Am 9. November drangen SA Leute in sein Haus in der Kölner Straße ein, warfen Möbel aus dem Fenster und zerstörten die Bettwäsche. Kurz darauf musste er sein Haus verkaufen, konnte es aber noch eine Zeit lang bewohnen. Ab 1.4.39 musste die Familie auf Anweisung des Regierungspräsidenten eine „angemessene“ Miete zahlen..Der Kaufpreis für das Haus wurde am 8.10.1940 nachträglich herabgesetzt. Der Kaufpreis wurde nicht an Kallmann, sondern an die Devisenstelle Köln entrichtet. Er sah keine Mark.
Zwischenzeitlich mussten auch sein Bruder Jakob Kallmann mit Familie und die Witwe Berta Meier ihre Wohnungen in der Mötscher Straße verlassen und in das Haus in der Kölner Straße zu Silver Kallmann umziehen. Doch bald wurde ein erneuter Umzug von Jakob Kallmann mit Familie und Berta Meier nach Sülm zu den Geschwistern Ruben angeordnet. Wenig später, vermutlich am 23.4.42, wurden alle Sülmer Juden, die Rubens, Jakob Kalmann mit Frau und Sohn und Berta Meier nach Trier gebracht und von dort nach Auschwitz deportiert und ermordet
Mittlerweile waren Silver Kallmann. Ehefrau Sophie und die Kinder Else und Kurt die einzig verbliebene Familie in Bitburg. Ständig gab es Anordnungen über die Abgabe von alltäglichen Gebrauchsgegenständen. So wurden die Kallmanns aufgefordert, verbliebene Woll- und Pelzsachen abzuliefern. In der Liste vom 16.1.42 wurden u.a. 1 Paar Handschuhe und 3 Paar Strümpfe aufgezählt. Elektroartikel mussten ebenfalls abgegeben werden, darunter fielen auch ein Bügeleisen und ein Kochtopf. Über alle diese Beschlagnahmungen wurde seitens der Verwaltung ordentlich Buch geführt und Quittungen ausgestellt.
Am 9. April 1942 schickte der Landrat dem Bitburger Bürgermeister eine Liste der zur „Evakuierung“ anstehenden Juden zu. Mit Evakuierung wurde der Begriff Deportation beschönigend umschrieben. In den Melderegistern sollte auch „unbekannt verzogen“ oder „ausgewandert“ vermerkt werden. Ausführlich wurde im Schreiben des Landrats das Prozedere, die Reiseroute, der Umfang des Gepäcks, die Anzahl der Lebensmittelkarten und die Menge des Bargelds vermerkt. Die bevorstehende Bahnfahrt mussten die zur Deportation anstehenden selber zahlen. Absolute Geheimhaltung wurde angeordnet. Am 14.4. 42 forderte die Gestapo Trier den Landrat auf, die Abschiebung bis spätestens 23.4.42, 12.00 Uhr vorzunehmen. An diesem Tag bescheinigte der Kriminalsekretär Plichta, dass der Schutzpolizist Marx aus Bitburg die Familie Kallmann im Bischof -Korum-Haus in Trier abgeliefert habe. Am nächsten Tag wurde die Familie über Stuttgart nach Izbica in Polen deportiert. Dort traf der Transport am 29.4.42 ein. Wenige Tage später wurden alle im Vernichtungslager Belzec ermordet.
1961 wurde Kallmann vom Amtsgericht Bitburg für tot erklärt. Als Datum wurde der 8. Mai 45, der Tag der Kapitulation des Deutschen Reichs, festgelegt.
1995 wurde Silver Kallmann im Gedenkbuch von Yad Vashem aufgenommen.
In Angedenken an die Jüdischen Mitbürger wurde 2015 eine Straße in Bitburg nach der mit 21 Jahren ermordeten Else Kallmann benannt, die die Tochter von Silver Kallmann war.
(Text verfasst durch Thomas Barkhausen)
Familienmitglieder
- Sophie Kallmann (Ehefrau)
- Else Kallmann (Tochter
- Kurt Kallmann (Sohn)
- Jakob Kallmann (Bruder)